Mittwoch, 13. Februar 2013

Der Philosoph als Hampelmann

Darwin Deez 
„Songs For Imaginative People“ 
(Universal)

Mit dem jungen Mann aus New York ist das eine vertrackte Sache. "Everybody has an imagination. And it's an invitation for people to just listen to the lyrics, 'cause all songs are songs for imaginative people, all music is music for emotional people." Diese zwei Sätze diktierte er neulich der Huffington Post in den Block. Und auch wenn diese Art von Gebrauchsanweisung sicherlich nicht das ist, was man als Hörer auf eine Platte geklebt haben möchte, in diesem speziellen Falle könnte sie einem den Zugang zum vorliegenden Album etwas erleichtern. Vor knapp vier Jahren kam wohl kein Tape, das man dem angehimmelten Kassettenmädchen seiner Wahl (gibt’s so etwas eigentlich noch?) verschämt in die Hand drückte, ohne „Constellations“ von Darwin Deez über die Runden – der Song war ein perfekter Traum aus Pop und für die Angebetete war man in nullkommanix der geschmackssichere Auskenner – Begeisterung! Auch die Platte zum Song war gelungen, ein süßes Versprechen, das hatte Charme und Hirn.

Nun kommen also die „Lieder für Phantasten“ und irgendwie ist alles etwas schwieriger geworden. Deez trennt nun, siehe oben, nach Wort und Ton und weiß man das, beginnt man unweigerlich, mit dem eigenen Urteil ebenso zu verfahren. Textlich ist dieser Junge der überbordende Springquell an Ideen, Geschichten und Gespinsten wie zu Zeiten seines Debüts geblieben. Er liebt das Philosophieren, das existenzialistische Gedankenspiel, das bildhafte Chaos und den Raum für Interpretation, er hat Nietzsche gelesen und sich mit ihm überworfen („I was reading too much ..., and I couldn't handle it. It wasn't for me“), er provoziert und irritiert gern, verrennt sich und will trotzdem alles auf einmal, das Große (800/Human) und das Kleine (You Can’t Be My Girl). Das ist unterhaltsam, da will man sich gern drin verlieren und mit dem Jungen den einen oder anderen Looping versuchen.

Allein, was es einem schwer macht, bei der Sache zu bleiben, ist die zweite, die musikalische Komponente. War das erste Album noch einigermaßen ausgewogen und durchaus mit Gespür für Tempi und Klangfülle produziert, so gehen Deez für den Nachfolger sämtliche Pferde durch. Manch einer mag diesen quietschfidelen Wirrwarr als kreative Meisterleistung empfinden, oft geht er einem einfach nur auf die Nerven. Jeder Song hampelt und zappelt, hüpft und stolpert ausgelassen umher – brumm!, schrill!, dengel!, zisch!, wie Sprechblasen in einem wildgewordenen Comicstrip reiht sich Stück an Stück, keine Chance zum Luftholen, ADHS-Pop, always on the run. Die einzelnen Versatzstücke sind dabei nicht einmal so schlecht, die Funk-Gitarre bei „Moonlit“, die Verballhornung der Soup Dragons bei „Free (The Editorial Me)“, nur in der Summe wirkt das alles doch eine Spur zu aufgedreht und sprillig. Gegen Ende kehrt dann zum Glück ein klein wenig mehr Ruhe ein, gönnt Deez sich selbst und dem Hörer mal ein paar Akkorde im Gleichklang und plötzlich werden aus „Redshift“, „All In The Wrist“ und „Chelsea’s Hotel“ feine, federnde Stücke. Deshalb ein fast väterlicher Rat: „Nur die Ruhe.“ http://darwindeez.com/

Komplettstream des Albums bei musikmitherz.de

20. Februar  Köln, Gloria
21. Februar  Hamburg, Knust
22. Februar  Berlin, Bi Nuu

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