Donnerstag, 3. Mai 2012

Keine Ente

Polica „Give You The Ghost“
(Memphis Industries)

Hört man eigentlich anders hin, wenn einem der Kulturteil der Lieblingsgazette beim Frühstück wieder mal mit ungebremster Euphorie eine Band zum „next big thing“ textet? Misstrauischer, voreingenommener, genauer? Ja klar. Doch was für eine dicke Überraschung – die Damen und Herren verstehen auch etwas von ihrem Handwerk. Und haben Recht: Polica, Ableger des umtriebigen Künstlergroßkollektivs Gayngs, unter Regie der Produzenten Ryan Olsen und Jim Eno (Spoon), bestehend aus zwei Drummern, einem Bassisten und der Sängerin Channy Leaneagh (Casselle), bringen aus ihrer Heimatstadt Minneapolis tatsächlich eine recht ungewöhnliche Mixtur zu Gehör.

Würde man die einzelnen Songs mit einer Art Stückliste versehen, man bekäme bei folgenden Punkten immer ein Kreuz: AutoTune, Channy Leaneagh hat offensichtlich so viel Gefallen daran gefunden, dass sie ihre durchaus kraftvolle Stimme für jeden Song noch einmal nachbearbeiten und mit jeder Menge Hall versehen lies, ähnlich konsequent hat das bisher vielleicht nur Kanye West eingesetzt. Weiter: Drums, kein Wunder bei der doppelten Planstelle, hier wird gehämmert und geklopft, was die Felle hergeben, mal mit schwerem Bassgewummer und Dancehallanleihen („I See My Mother“, „The Form“), dann wieder wild und mit der Präzision einer Nähmaschine („Amongster“, „Violent Games“). Der größte gemeinsame Nenner aber: unglaublich fette, raumgreifende Synthieloops, die so gewaltig und brachial, so vielschichtig und verschränkt daherkommen, wie man es so kunstvoll sonst nur von Portishead oder auch Massive Attack kennt.


Die Anfangssequenzen von „Amongster“ und „Violent Games“ zum Beispiel geraten markerschütternd, zu letzterem stand geschrieben, es seien Parallelen zu algerischem Rai herauszuhören – was auch immer es ist, zusammen mit dem kantigen Schlagwerk und dem aufwühlenden Text („Tremble, tremble at the taste of, in his hands – man, be my enemy“) schüttelt es den Hörer kräftig durch, ein Kampflied. Das Gegenstück dazu: „Dark Star“, runder, schneller, trotzdem dunkel und durchaus mit Pop-Appeal, vom Kampf keine Spur mehr: „Ain't a man in this world who can pull me down from my dark star dark star, I will remain there, it's done me good so far.“


Wer Vergleiche bemühen will, tut sich schwer, rein stimmlich landet man irgendwo zwischen Tracey Thorn und Florence Welch, der Sound ist weitaus schlechter zu fassen. Das Kunststück, Besinnlichkeit mit (natürlich) anhaltend lauter Trommelei unter einen Hut zu bekommen, gelingt nicht vielen – „Lay Your Cards Out“ schon, „Fist, Teeth, Money“ pumpt, elektronisch reich verziert, ganz famos und nach zwei eher traurig, elegischen Verlustmeldungen („Happy Be Fine“/“Wandering Star“) legt das Quartett am Ende mit „Leading To Death“ sogar noch so etwas wie einen Funk hin. Das ist, wohlgemerkt, kein Größenwahnsinn. Die machen das, weil sie’s können. Und zwar richtig gut. Man sollte also zur Abwechslung auch mal das glauben, was in der Zeitung steht. http://www.thisispolica.com/


Auch bei uns:

4. Juni Berlin, Magnet
8. Juli Hamburg, Stadtpark (mit Bon Iver)
9. Juli Köln, Tanzbrunnen (mit Bon Iver)


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