Montag, 20. Juni 2011

Gegrillte Wiener in Eppheim



Wie darf man sich das als treuer Gebührenzahler so vorstellen? Da überprüft das OK der Frauen-WM die Buchungen für die einzelnen Stadien und bekommt die große Flatter, weil sich das Wahnsinnsevent anscheinend doch nicht so wahnsinnig verkauft. Meldet sich also das Sekretariat von Herrn Zwanziger beim Sponsor ARD und fragt nach: „Könntet Ihr nicht ...? Also Crosspromotion und so ...?“ Prompte Antwort: „Also wenn neben dem Chef auch noch der Jogi, der Olli, der Michi und vielleicht die Steffi ...?“ Retour: „Also, das mit dem Michi wird nicht klappen, den haben wir gerade rausgeschmissen, aber die anderen, warum nicht ...?“

Hernach muß man sich nur noch schnell auf einen Austragungsort, sprich: ein Ermittlerteam einigen – runder Tisch, schnelle Entscheidungsfindung: Die Furtwängler? War erst mit schwulen Kickern dran, außerdem zu staksig, zu etepetete. Die Thomalla? Ja um Gottes Willen, hier geht’s ja nicht um Spielerfrauen! Außerdem muffelt der Wuttke dann wieder alles kaputt. Also doch die Folkerts, passt genau für so eine Minoritätenmoritat, ist ja im richtigen Leben selbst eine (also Minorität), den Kopper trimmen wir schnell mit ein paar total glaubwürdigen Sprüchen auf Interfan, perfekt.

Haste gedacht. Stefan Niggemeier, neben Kalkofe der einzig legitime Fernsehversteher im Lande, hat am Wochenende in der FAS in anderem Zusammenhang geschrieben, bei Sendungen wie „Big Brother“ oder „Frauentausch“ habe man wenigstens das Gefühl, dass da jemand nach der Produktion noch einmal drüberschaue – sorry, aber dieses Kompliment mag man dem Fußball-Tatort aus Ludwigshafen nicht machen.

Die Chance, eine ansprechende, kühne Geschichte zu erzählen, war ja bei dem Thema durchaus gegeben und dennoch wurde sie für einen holzschnittartigen Klischeeaufguß gnadenlos versemmelt. Abgesehen von den mehr als peinlichen Zwanzigersequenzen („Theo, lass uns nach Eppheim fahren!“), die sich nahtlos einreihen in die Liste der unmöglichsten Gastrollen fussballspielender Prominenz, kurz hinter Berti Vogts („Es riecht nach Gas!“) – mehr als eine Aneinanderreihung von Frauensport- und Gastarbeiterplattitüden bekommt die TV-Kripo nicht hin, der Plot plätschert dahin wie ein Nebenfluß des Rheins und ist von einer spannenden Geschichte leider so weit entfernt wie St. Pauli der 1. Liga.

Weil man sich an die dramaturgischen Fehltritte der ARD-Reihe aber fast schon gewöhnt hat, stoßen einem die handwerklichen Schnitzer in Addition besonders auf. Wenn etwa der psychopathische Platzwart Rennert vor einem dampfenden Kugelgrill steht und Odenthals Assi dann doch eine gekochte Wiener davon gereicht bekommt, dann kann man sich schon ausmalen, wie sich die Herren in der Sendezentrale mit Tränen in den Augen auf die Schenkel klopfen – „Sauber verarscht, die Zuschauer, High Five!“ Auch Authentizität wird allezeit großegeschieben – die streßgeplagte Trainerin wendet sich minutenlang vom Spielfeld ab, nur um dann nach einer abrupten Drehung mordsmäßig eine ihrer Spielerinnen zusammenzuscheißen: „Claudia, du stehst zu weit links, mach den Raum zu, verflucht!“ Aber hallo, da ist Zug drinne bei den Mädels.

„Seid ihr noch dicht?“ fragte Alexander Gorkow dazu in der SZ – der Mann irrt selten und kann sich diese Frage trotzdem schon selbst beantworten. Nein, sie sind es nicht. Weiter spricht er von „Selbstauslieferung an die Mätzchenhaftigkeit ... von Filmleuten, die nicht einen guten Dialog in 90 Minuten zustandebringen.“ Laut Kress-Report hatte der Tatort im Übrigen eine supertoppe Einschaltquote mit über 8 Millionen Zuschauern – man kann sich nur damit trösten, dass diese Zahl schon beim Vorspann gemessen wurde, alles andere wäre beängstigend.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

High Five! Nach dem Kommentardieser Rezension fühl ich mich nach einem seltenen Tatort-Fernsehabend nicht mehr ganz so einsam. Großartig, wenn auch ernüchternd beobachtet :)